Mein schwuler Abschiedsbrief


Lange lange habe ich überlegt, ob ich meinen Ausstieg aus der Hamburger Schwulenszene unkommentiert lasse oder nicht. Wie ehrlich oder wie geschönt ich mich dazu äußern würde, wenn ich es tue. Was ich zu sagen habe und wie es Leute, die es lesen auffassen würden.

ABER manchmal muss man Entscheidungen nur für sich treffen, egal wie es anderen damit gehen könnte!



Daher möchte ich mich nun öffentlich zu meinem Ausstieg äußern.
Als allererstes möchte ich mich für über zwei wundervolle Jahre in eurer Mitte bedanken! Für all die Liebe, die ich erfahren habe, die Akzeptanz, die ich sonst nur selten finde. Ich bedanke mich von Herzen auch für all die Komplimente, all die Küsse, die Tänze und die Drinks, die wir zusammen gekippt haben. Ich danke euch, dass ihr mich als biologische Frau bejubelt habt, wenn ich für euch aufgetreten bin! Egal, ob im kleineren Kreis im Grad, ob auf der Bühne des Tivoli oder sogar vor dem CSD Truck. Es hat mir die Welt bedeutet!!
Jedes Wochenende habe ich mir was Neues für euch einfallen lassen, habe euch ein offenes Ohr geschenkt, wenn ihr es gebraucht habt, habe mit euch Spaß gehabt oder mit euch über euren Exfreund gelacht. Die Zeit ist unvergleichlich und ich will sie nicht vergessen! Sie fehlt mir sogar sehr!

Allerdings ändert sich alles irgendwann und so folgte nach den Jahren auch die Erkenntnis:
"Wenn du zur Selbstverständlichkeit auf zwei Beinen wirst, ist es Zeit zu gehen." postete ich letzten Sommer nach einer Party. Das war der Knackpunkt.

Der Umgang wurde beliebiger, Küsschen links - Küsschen rechts, aber kein wahrer Ausstausch mehr, "Wie geht's dir? Ja gut und dir? Super!" Die selben Phrasen auf und ab. Kaum noch Herz, kaum noch wahre Worte. 
"Ja, eine Partykrankheit, die es in jeder Szene gibt." Mag der ein oder andere nun denken. Doch nach all dem, was ich in der schwulen Szene fand, war dies wie Ausnüchtern nach einem gigantischen Rausch. Ein Schlag in die Fresse. 

Als dann noch meine Brüste und mein Arsch zum Selbtsbedienungsbuffet für so viele wurden und es hiess "es sei okay, weil man ja schwul ist" und ich regelrecht gezwungen und festgehalten wurde, um zuzuhören, wie einer über seinen Ex herzieht mit den Worten "Du musst dir das jetzt anhören, dafür wirst du schliesslich bezahlt!!" oder die eigene Beziehungskiste durch Gerüchte, Gerede und heimlich geschossene Fotos eine "Szeneangelegenheit" wird, du am Ende einer anstrengenden Nacht um 10€ Gage feilschen musst (von der niemand reich wird), dann läuft das Faß über.

Versteht mich nicht falsch! 
Ich bin immernoch voll dabei und ganz vorn mit von der Partie, wenn es um LGBT Rechte geht. Rainbowflash, die Demo gegen die "besorgten Eltern", der CSD - you name it! Mit der Promotion ist es nicht ganz zu Ende. Die Damenwelt besuche ich hostingtechnisch immernoch.
Doch die ausschweifenden, häufigen Partys mit euch Jungs musste ich einfach einstellen. 

Und so habe ich mich zurück gezogen.
Immer wieder bekomme ich Mails, Einladungen und Angebote. Ich weiss diese wirklich zu schätzen, haltet mich nicht für arrogant! Doch manche Zeiten gehen halt vorbei..
Lasst uns den Kurzen doch wegstellen und darüber sprechen, was wirklich Sache ist!



2 Kommentare:

  1. Korrekter wäre "cis-frau" anstatt von "biologische frau".

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  2. Top! Schöne Worte. Das geht uns allen so, die schon was auf die Beine gestellt haben! Schön formuliert Mia! lg

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